Das nachrichtensüchtige Nesthäkchen

Künzing. „Unser Mann in Berlin“, Bundestagsabgeordneter Thomas Erndl, will nach langer Arbeitswoche in der Hauptstadt, in Künzing eigentlich am liebsten nur unternehmungslustiger Papa für die drei Söhne sein und einfühlsamer Ehemann für Ehefrau Stephanie. Wenn, ja wenn, da nicht noch die diversen Verpflichtungen in der heimatlichen Idylle wären, ein Tribut, den er aber gerne an seine Heimatverbundenheit zahlt. In „Hand aufs Herz“ outet er sich als Nachrichten- und Dampfnudeljunkie, verrät, was ihn prägte und sagt, was ihm richtig Angst macht. Als jüngster Bruder zweier Schwestern und Nesthäkchen in einem Vier-Frauen-Haushalt mit Mutter und Großmutter - der Vater war oft auf Montage - hat man es als Bub entweder schwer oder ziemlich leicht. Letzteres unter anderem dann, wenn einen die Hahn im Korb-Position weitestgehend vor Haushaltspflichten bewahrt. Was wiederum dazu führt, dass man als Bundestagsabgeordneter Geschirrspüler bestücken und Waschmaschine ein- und ausräumen immer noch nicht unbedingt zu seinen freizeitlichen Lieblingsbeschäftigungen zählt.

Sehr gerne ist er aber Papa und Ehemann, wenn diese Rolle nach einer arbeitsintensiven Woche in Berlin, nach seinem Geschmack oftmals zu kurz kommt. Denn außer die Geschicke der Nation in der Bundeshauptstadt ein bisserl mitzulenken, ist er nach wie vor am Wachsen und Werden des heimatlichen Umfeldes interessiert - beispielsweise als Gemeinderat seines Heimatortes Künzing. Als echten Niederbayern sieht er sich, kein Mann vieler großer Worte, eher besonnen und beobachtend, aber dann beständig und wenig ablenkbar sein Ziel verfolgend. Mit den Eigenschaften, die dem Krebs, der er laut Sternzeichen ist, zugeschrieben werden. Und mit der Durchsetzungsfähigkeit des Löwen, der er horoskopbedingt geworden wäre, wenn er nur einen Tag später das Licht der weiß-blauen Welt erblickt hätte.

So ab 15 Jahre stellte das Leben - unter anderem auch durch „gesellschaftspolitisches“ Engagement als Klassen- und Schulsprecher - die Weichen Richtung politischen Interesses, erinnert er sich, wobei zunächst was „Ordentliches“ gelernt wurde. Fachoberschule und Wehrdienst absolvierte er und schloss das Studium der Elektrotechnik erfolgreich als Diplomingenieur ab.

Als Zeitsoldat reflektiert der 47-Jährige nachdenklich, wurde ihm während eines Nachkriegseinsatzes in Bosnien angesichts von Trümmern und Verwüstung mitten in Europa unter anderem klar, dass er politisch aktiv daran mitarbeiten wollte, solch erschütternde Szenarien zukünftig um jeden Preis zu verhindern. Nachdem Barthl Kalb „der Ex- Mann“ in Berlin nach langen, ereignisreichen Jahren politischer Aktivität sich auf die Pflege seiner geliebten Apfelbäume im heimischen Garten konzentrierte, trat Erndl quasi seine Nachfolge in der Bundeshauptstadt an. Die Betreuung etwa vorhandener Apfelbäume im Garten Erndl muss noch länger von anderen übernommen werden, scheint es, denn der CSU-Mann macht seinen Job gerne, gewissenhaft und erfolgreich. Er findet Angela Merkel ziemlich gut, sieht seine politischen Aufgaben noch lange nicht erfüllt und erwartet gespannt zahlreiche Herausforderungen, die es diesbezüglich anzunehmen und zu bewältigen gilt. Nach außen hin hat der Mann wirklich keine Ecken und Kanten – auch wenn man noch so sehr sucht. Aber Tiefen hat er spürbar schon, und lässt sogar eher unbeabsichtigt hineinschauen. Als er nämlich von Verständnis und kindlichem Zweckrealismus seiner drei Buben bezüglich seiner häufigen Abwesenheit erzählt, und deutlich wird, wie sehr es ihn berührt. Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt sind aber sonst keine Eckpunkte auf der Erndl“schen Gefühlsskala - zu extrem für einen, der sowohl privat als politisch Ausgewogenheit und Harmonie in allem sucht und zu finden scheint.

Ein kleines Laster hat er allerdings schon, „gesteht“ er lachend: informations- und nachrichtensüchtig sei er. Wo andere von Volksmusik über Klassik zu Heavy Metal alles hören, was Trommelfell und Seele vibrieren lässt, laufen bei Thomas Erndl sämtliche verfügbaren Info-Übertragungswege heiß, wann und wo es die Situation zulässt. Große Wünsche im Privaten hat er nicht, sagt er. Im individuellen Schritttempo, mit zuverlässiger Beständigkeit und nach bestem Wissen und Gewissen alles annehmen und bearbeiten, was kommt, ist Erndls bodenständiger Lebensentwurf.

Aber mehr Zeit für die Familie und gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen zu haben, ist ihm ein dringendes Bedürfnis, daran arbeitet er ununterbrochen und lässt noch einmal tiefer blicken. Nicht zu tief, aber tief genug.

Redaktion: Am wohlsten fühl ich mich bei...

Thomas Erndl: Meiner Familie daheim in Künzing.

Meine erste Schallplatte, mein erstes Konzert:

Erndl: Die erste Schallplatte muss wohl eine von Iron Maiden gewesen sein und mein erstes Konzert war der Auftritt der Toten Hosen in der Nibelungen Halle in Passau, da war ich 16.

Zuletzt tief berührt hat mich..

Erndl: Natürlich menschlichen Schicksale in Zusammenhang mit Corona, der jetzigen Flutkatastrophe und ganz aktuell die Situation in Afghanistan, wo ich Menschen unterstützt habe, auf die Evakuierungslisten zu kommen. Da geht es dann um die wirklich wichtigen Dinge. Das macht demütig.

Fuchsteufelswild macht mich...

Erndl lacht: In dieser Gefühlskategorie bin ich nicht unterwegs.

Was ich nicht gerne mache...

Erndl: Hausarbeit. Und mir inhaltsleere Reden und Ausführungen anhören müssen.

Ich fahre immer wieder gern...

Erndl: Nach Hause. Ich hab kein permanentes Fernweh, hab auch schon einiges von der Welt gesehen. So zum Beispiel während eines Auslandspraktikums in Australien den beeindruckenden Ayers Rock.

Reinlegen könnt ich mich in...

Erndl: Dampfnudeln, mit dem typischen Soßensud.

Mein/e Lieblingsmusik, Lieblingsbuch, Lieblingsfilm...

Erndl: Ich bin nicht so der notorische Musikhörer. Das ist auch tatsächlich stimmungs- und jahreszeitenabhängig bei mir, was ich höre. Ich bin allerdings ein „Nachrichten-Junkie“. Nachrichten regional, national und international kann ich immer und überall hören, und mache das situationsabhängig auch. Meine Lieblingsbücher sind im Bereich politischer Sach- und Fachliteratur verortet. Von Autoren wie beispielsweise den Historikern Timothy Snyder und Anne Applebaum, die sich thematisch mit Entwicklung und Zukunft der Demokratie auseinandersetzen. Früher sind meine Frau und ich oft und gerne ins Kino gegangen. Heute ist das durch die beschränkte Freizeit kaum mehr möglich. Sehr beeindruckt und bewegt hat mich „Schindlers Liste“.

Die Erde ist für mich...

Erndl: Faszinierend und schützenswert. Und es ist unsere Pflicht, mit aller Anstrengung dafür zu sorgen, dass es sowohl der Natur, als auch allen Menschen gut geht.

I gfrei mi auf.. ...

Erndl: Dampfnudeln essen. Nein im Ernst und mit Familie und nahe stehenden Menschen in entspannter Harmonie Zeit genießen.

Wenn ich die Welt besser machen sollte, würde ich...

Erndl: Dafür sorgen, dass das Wohlergehen der Gemeinschaft wieder erstrangig wahrgenommen und mit sozialer Kompetenz und Empathie realisiert wird. Egoismus und Ignoranz mitmenschlicher Bedürfnisse zerstören Gemeinschaftssinn und Gesellschaft.

Angst hab ich vor...

Erndl: Fundamentalismus jeder Glaubensrichtung und politischen Orientierung. Extremismus in jeder Form zerstört die Gesellschaft.

Ein Kindheitserlebnis, an das ich mich gerne erinnere...

Erndl: Mein Vater hatte elf Geschwister und demzufolge war die Verwandtschaft ziemlich groß. Die veranstalteten Familienfeste aus unterschiedlichen Anlässen hab ich in sehr guter Erinnerung, da war immer etwas los, es war lustig und aufregend.

Ich krieg Gänsehaut bei...

Erndl: Wenn bei der Vereidigung der Soldaten vor dem Reichstag das Gelöbnis, der Fahneneid abgelegt wird.

Ich würd gern amoi ratschn mit...

Erndl: Joe Biden, und ihn fragen, warum er bei all den Erkenntnissen doch so abrupt aus Afghanistan abgezogen ist. Auch mit Angela Merkel, die mit Sicherheit eine angenehme Gesprächspartnerin ist. Aber mit ihr hab ich ja berufsbedingt öfter mal die Gelegenheit für ein paar Worte zwischendurch. Ansonsten lerne ich ja ebenfalls durch meinen Job zahlreiche interessante Menschen kennen, bei denen sich dann im Gespräch oft Unerwartetes, Erstaunliches und Nachdenkenswertes ergibt.

„Dahoam“ bedeutet für mich...

Erndl: Geborgenheit, Zusammenhalt, Vertrauen, Familie.

Mein erster Kuss war...

Erndl: Ich erinnere mich wirklich nicht mehr in Einzelheiten daran, weiß nur noch, dass ich ungefähr 15 Jahre alt war und es auf einem Volksfest passierte.

Ich will nie mehr…

Erndl: Erleben, dass unsere Außenpolitik so scheitert wie in Afghanistan. Die Enttäuschung der Menschen, die Hoffnung auf den Westen gesetzt haben, ist riesen groß.

Ich möchte unbedingt noch in meinem Leben...

Erndl: Meine Enkelkinder kennenlernen, erfahren, wie die Menschheit Herausforderungen wie die Klimaneutratilität bewältigt hat, die Entwicklung von Gesellschaft, Innovationen und Technik verfolgen. Und ob unsere Gesellschaft hinsichtlich sozialer Medien die Reife erlangt, damit gewinnbringend umzugehen. Ich wünsche mir... Erndl: Nach den Bundestagswahlen im Oktober erst einmal viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen.

Interview: Anne Wölle

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